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Manchmal denke ich an diesen Moment zurück – an die Zehntelsekunde, bevor diese schreckliche Sache passierte. Diese Sache, die ich nicht aufhalten konnte.
Was wäre, wenn ich nur die Hand auszustrecken bräuchte, um die Zeit zurückzudrehen? Den Moment noch eine Sekunde lang festhalten könnte? Sehen könnte, was ich hätte sehen sollen?
Ich würde dieses Lächeln sehen. Nicht das von
Andie DeGrasse, die neben ihrem Sohn im Bus saß.
Cavellos Lächeln. Kurz vorher im Gericht.
Ich würde genau wissen, was es bedeutete.
Ich war den Geschworenen aus dem Gerichtssaal gefolgt und hatte
beobachtet, wie der Bus losfuhr.
Nach Ellens Auszug, wusste ich nicht mehr, wo ich hingehörte.
Deswegen machte es mir Freude, wenigstens dieser Andie DeGrasse und
ihrem Sohn zu helfen. Das gab mir das Gefühl, bei diesem Wahnsinn
einen Beitrag für das Leben geleistet zu haben. Sie winkte mir zu,
lächelte glücklich. Ich winkte zurück. Alles
Gute zum Geburtstag, Kleiner.
Und dann brach die Welt zusammen! Ihre. Und meine.
An der roten Ampel hielt ein grauer Kastenwagen. Hastig stiegen
zwei Männer aus.
Sie rannten fort.
Ich brauchte eine Sekunde, um die Lage zu begreifen, auch wenn ich
schon an das Schlimmste gewöhnt war. Und mit einem Schlag war mir
alles klar. Das ganze, schreckliche Bild.
»Steigt sofort aus!«, schrie ich und rannte durch den Verkehr auf
den Bus zu. »Steigt aus dem Bus aus!«
Dann explodierte der Transporter, die Straße wurde eingetaucht in
einen gigantischen Blitz. Der Luftdruck schleuderte mich gegen
einen Briefkasten, glühende Hitze schlug mir ins Gesicht.
O Gott, nein! Nein!
Hilflos musste ich mit ansehen, wie der Bus der Geschworenen von
den Flammen verschluckt wurde. Dann explodierte er.
Ich kramte mein Funkgerät heraus, um die Sicherheitsleute im
Gericht zu verständigen. »Hier ist Pellisante. Ein Notruf. Der
Geschworenenbus ist gerade in die Luft geflogen! Ecke Worth und
Church Street. Ich wiederhole, der Geschworenenbus ist gerade
explodiert! Wir brauchen sofort volle medizinische
Unterstützung!«
Dann rannte ich auf den Bus zu, so schnell ich konnte.
Es sah übel aus. Sehr übel. Flammen züngelten aus dem Transporter,
dichter, grauer Rauch waberte über die Straße. Überall um mich
herum schrien Menschen. Passanten, von der Detonation verletzt,
lagen benommen auf dem Pflaster. Ein Taxi war auf die Seite gekippt
und brannte.
Schnell blickte ich mich nach den beiden Männern in Arbeitskleidung
um. Sie waren fort, untergetaucht im Chaos. Gütiger Himmel, der
Geschworenenbus war nur noch ein verkohltes, brennendes Gerippe,
bei dem die gesamte linke Seite vollständig zerfetzt war.
Ich rannte zur Tür, die von der Explosion aufgerissen worden war.
Die Haltegriffe glühten.
Alles war mit einer glimmenden, schwarzen Schicht überzogen. Der
Busfahrer war tot. Nein, nicht einfach nur tot, er war geköpft. O
Gott. Eine der Geschworenen, eine ältere Frau, die, wie ich mich
erinnerte, im Gerichtssaal in der hinteren Reihe gesessen hatte,
war über den Rücken des Fahrers hinweg gegen die Windschutzscheibe
geschleudert worden. Aber an ihren Namen erinnerte ich mich nicht
mehr.
»FBI«, rief ich in die dicke, nach Benzin stinkende Luft. »Kann
mich irgend jemand da drin hören?«
Ich wartete auf eine Antwort. Es müssten doch Stimmen zu hören
sein. Na los! Stöhnen, Rufe, Hilfeschreie. Irgendein Beweis, dass
jemand lebte.
Ich hielt die Arme zum Schutz gegen die Flammen vors Gesicht und
lauschte.
Nichts, alles still. Daran werde ich mich immer erinnern, immer
wird sie mich verfolgen, diese Stille.
Ich hatte das Gefühl, dass mein Herz stehen geblieben war. Ich
stand einfach da und betete. Warum sagt denn
niemand was? Ruft! Schreit um Hilfe! Alles, was ich hörte, war
das Knistern der Flammen, und alles, was ich sah, war der graue
Rauch, der durch den Bus schwebte. Es sah aus wie nach einer
blutigen Schlacht.
Ich bedeckte mein Gesicht mit der Hand und zwängte mich den Gang
entlang. Es war Wahnsinn, aber ich musste es tun, auch wenn ich
nichts sah. Eine kleine Frau war gegen ein Seitenfenster gedrückt
worden, wo sie völlig verkrümmt liegen geblieben war. Andere waren
mit verbrannten Kleidern am Leib direkt auf ihren Sitzen
gestorben.
Ich erkannte einige Gesichter. Der Autor war tot. Auch die nette
Latinofrau, die immer strickte. Beide waren auf ihren Sitzen
verglüht. Dann sah ich den Rothaarigen, der bei Verizon arbeitete.
O’Flynn.
»Kann mich jemand hören?«, rief ich. Nichts. Nur Schweigen schlug
mir entgegen.
Draußen ertönten Sirenen. Krankenwagen waren eingetroffen. Ein
Polizist stieg in den Bus. »Jesus Maria.« Er zuckte zusammen. »Hat
jemand überlebt?«
»Ich glaube nicht.«
Ich stolperte über eine Art Hügel. Es war der jamaikanische
Mechaniker. Kleider und Körper waren verkohlt.
Der dicke, säuerliche Rauch machte mir zu schaffen. Ich hustete,
zog mein Hemd hoch, um Nase und Mund zu bedecken.
»Wir warten lieber auf das Einsatzkommando«, rief mir der Polizist
zu. Er hatte Recht. Überall brannte es noch, und giftige Gase
strömten aus. Das verdammte Ding konnte jederzeit noch einmal in
die Luft fliegen. Ich versuchte, das Ende des Busses zu erkennen.
Auch dort gab es kein Anzeichen von Leben.
Doch dann hörte ich etwas. Ein Stöhnen – oder eher ein Wimmern.
Lebte da noch jemand?
»FBI!«, rief ich und kämpfte gegen den Rauch an. »Wo sind Sie? Sind
Sie verletzt?«
Wieder hörte ich die Stimme, leise wie ein Murmeln.
»Ich komme.«
Dann sah ich ihn. Auf dem Boden. Es war der Junge! Er lag in
Embryonalstellung unter dem Sitz. »Jarrod!«, erinnerte ich mich an
seinen Namen und beugte mich nach unten. »Jarrod!«
Ich legte mein Gesicht so nah an seins, wie ich konnte. Der Boden
war glühend heiß und dampfte.
Die Enttäuschung war groß. Der Junge war tot, seine Haut so
schrecklich verbrannt, dass ich mich bei dem Anblick beinahe
übergeben musste. Unwillkürlich kam mir das Bild wieder in den
Sinn, wie er neben seiner winkenden Mutter gesessen hatte. »Es tut
mir so leid, Kleiner.«
Dann hörte ich es wieder, das Wimmern, ganz leise und schwach.
Jemand hatte überlebt.
Ich stieg über verbogenes Metall und Leichen bis ganz nach hinten.
Vinylsitze und Plastikpanele zerschmolzen unter den Flammen. Ich
war umgeben von Rauch, der wie heißes Gummi an mir zu kleben
schien.
Die Stimme war ganz nah. »Jarrod … Jarrod.«
Es war Andie DeGrasse. Sie klemmte unter einem Metallträger fest.
Ihr Haar war schwarz, ihr Gesicht mit Blut bedeckt. Ihre Lippen
zitterten. »Jarrod … Jarrod«, rief sie immer wieder ihren
Sohn.
Ich beugte mich zu ihr nach unten. »Ich bin hier, um zu helfen«,
sagte ich.
Sie war die einzige Überlebende.
Richard Nordeschenko hörte die gewaltige Explosion. Um genau 14:03
Uhr, drei Straßenblocks entfernt. Der Boden unter ihm erzitterte,
als würde die Erde entzweibrechen. Es war erledigt.
Er hatte den Fahrer der Limousine angewiesen zu warten, während er
in einen Elektronikladen ging, um ein Geschenk für seinen Sohn zu
kaufen. World Championship
Poker.
Nordeschenko hatte schon öfter solche Explosionen gehört. Die
zweifache Erschütterung. Der zitternde Boden wie bei einem
Erdbeben. Der Verkäufer blickte verwirrt. Nordeschenko wusste, was
passiert war. Nezzi hatte nichts dem Zufall überlassen. Das C-4 im
Transporter hätte für drei Busse gereicht.
Nordeschenko klemmte sich das Päckchen unter den Arm und verließ
den Laden. Er freute sich auf sein Zuhause. Er hatte ein paar
Geschenke für seinen Sohn gekauft: einen iPod und ein neues
Computerprogramm, von dem er wusste, dass es ihm gefallen würde.
Und Ohrringe für seine Frau aus dem Diamond District in New
York.
Seine Arbeit war erledigt, und es hätte nicht besser laufen
können.
Die Nachricht über sein Schweizer Konto hatte er bereits erhalten.
Mehr als zwei Millionen Dollar. Ein paar Zahlungen musste er noch
tätigen, aber was übrig blieb, hatte er sich redlich verdient. Eine
Weile würde er gut damit zurechtkommen.
»Was war denn das?«, fragte der Fahrer und blickte Richtung Foley
Square, als Nordeschenko wieder einstieg.
»Ich weiß nicht. Irgendeine Explosion. Vielleicht eine
Benzinleitung.« Der Geruch von Benzin und Kordit hing in der
Luft.
Sirenen waren zu hören. Zwei Polizeiwagen mit Blaulicht rasten
Richtung Gericht an ihnen vorbei.
»Da ist was passiert!«, rief der Fahrer und schaltete das Radio
ein. »Das ist nicht gut.«
Nordeschenko blickte nach hinten, wo sich schwarzer Rauch über die
Gebäude erhob.
Er legte das Geschenk für seinen Sohn in seinen Reisekoffer.
Zweimal klingelte sein Handy – Reichardt und Nezzi waren in
Sicherheit.
»Fahren wir«, forderte er den Fahrer auf. »Wir hören uns das
unterwegs an. Ich muss mein Flugzeug erreichen.«
Sehr langsam öffnete sie die Augen.
Sie spürte keinen Schmerz. Sie war nur benebelt, als wäre die Welt
um sie herum nicht echt. Sie war hier, aber dann auch wieder nicht.
Ein bleischweres Gewicht schien gegen ihren Brustkorb zu drücken.
Wo war sie? Was war passiert? Überall aus ihrem Körper ragten
Schläuche. Sie versuchte, sich zu bewegen, aber es ging
nicht.
Nichts. Keine Macht über ihren Körper. War sie gelähmt? Wie war das
passiert?
Dann bekam Andie Panik. Irgendetwas Schweres, Sperriges blockierte
ihre Kehle. Ließ sie würgen. Hinderte sie am Sprechen.
Eine Krankenschwester trat ein. Schon deren Gesichtsausdruck sagte
ihr: Es ist etwas Schreckliches passiert. Aber was?
»Andie, versuchen Sie nicht zu reden. In Ihrem Hals steckt ein
Schlauch, der Sie beim Atmen unterstützt. Sie sind im Bellevue
Hospital. Sie wurden operiert, und Sie werden wieder
gesund.«
Andie zwang sich zu einem Nicken, während sie ihren Blick durchs
Zimmer zucken ließ. Durchs Krankenhauszimmer.
Dann war alles wieder da.
Der Bus der Geschworenen. Sie hatte im Bus gesessen. Neben dem Bus
hatte ein grauer Transporter gehalten …
In dem Moment setzte die Panik ein. Ihr Blick schoss zur
Krankenschwester. Was ist dann passiert?
Wieder versuchte sie zu sprechen, konnte aber nur husten und
würgen. Irgendwie fanden ihre Finger die Hand der Krankenschwester,
die sie so fest hielt, wie sie konnte.
Mein Sohn … Wo ist Jarrod?
»Bitte.« Die Krankenschwester erwiderte den Druck von Andies Hand.
»Versuchen Sie, ganz ruhig zu bleiben.«
Sie wusste, dass etwas Schreckliches passiert war, etwas
Unglaubliches. Sie versuchte, Jarrods Namen zu sagen, doch ihr
fehlte die Luft. Bitte, bitte, mein
Sohn.
Aber irgendetwas zwang Andie, die Augen zu schließen, etwas, gegen
das sie sich nicht wehren konnte.
Als sie ihre Augen erneut öffnete, stand jemand anderes am Bett.
Sie blinzelte benommen. FBI. Der Typ mit dem netten
Lächeln.
Aber jetzt lächelte er nicht. Eigentlich sah er ganz furchtbar
aus.
Erinnerungsfetzen kamen zurück. Der Bus hatte an einer roten Ampel
gehalten. Dann der Transporter. Die beiden Männer, die fortgerannt
waren. Sie hatte ihre Arme ausgestreckt und Jarrod fest an sich
gezogen.
Jarrod?
Ihr Blick wanderte wieder zu dem Mann vom FBI. Sie versuchte, laut
den Namen ihres Sohnes zu brüllen. Bitte, verstehen Sie mich denn
nicht? Können Sie es nicht in meinen Augen lesen?
Er blickte sie nur an und schüttelte den Kopf. »Es tut mir
leid.«
Es tut ihm leid?, wiederholte sie in Gedanken. Sie brauchte einen
Moment, um seine Worte zu verstehen. Was sagt er da? Wegen was tut
es ihm leid?
Sie spürte, wie er seine Finger sanft auf ihre Hand legte. Dann
drückte er leicht zu. Die Berührung sagte alles.
Und plötzlich war alles wieder da. Ihre Panik, als die beiden
Männer fortgerannt waren. Die furchtbare Explosion. Dann war sie
nach hinten geschleudert worden. Sie erinnerte sich, immer wieder
Jarrods Namen gerufen zu haben.
Ihr Körper zuckte.
Sie spürte, dass etwas Heißes an ihrer Wange hinunterlief. Das kann
nicht wahr sein. Das kann nicht passiert sein.
Der Mann vom FBI wischte ihre Träne fort.
Ihr war immer noch nicht gesagt worden, was passiert war. Das
brauchte jetzt niemand mehr zu tun. Sie wusste es. Sie sah es in
seinen Augen.
Oh, mein armer Jarrod.
Tränen liefen an Andies Wangen hinab. Sie hatte das Gefühl, sie
würden nie versiegen.
Normalerweise ist es niemandem erlaubt, zu dieser späten Stunde den
Zellenblock zu betreten, auch nicht der Polizei. An diesem Abend
war ich ganz inoffiziell hier.
»Nick, es ist schon spät«, stellte Trevor Ellis fest, der den
fünften Stock des Manhattan County Jail unter sich hatte, wo Zeugen
und Angeklagte saßen. Gemeinsam traten wir durch die elektronisch
verriegelten Türen. Nur die Nachtschicht war hier.
Am Schreibtisch saß ein Wachmann, der die Monitore im Auge behielt.
Trevor bedeutete ihm mit einem Nicken, Pause zu machen. »Geh einen
Kaffee trinken. Ich komme mit Agent Pellisante schon
klar.«
»Es ist eine offizielle Angelegenheit«, versicherte ich Trevor
erneut. Wir gingen noch ein Stück weiter, bis wir am Ende des Flurs
stehen blieben. Dieser Bereich, hinter dem Cavellos Zelle lag, war
zusätzlich mit einem Band abgesperrt.
»Bist du sicher, dass du das tun willst?« Ellis blickte mich
an.
Neunzehn Menschen waren am Nachmittag gestorben. Siebzehn
Geschworene. Meine Geschworenen. Ein Opfer
war ein Kind an seinem zehnten Geburtstag. Einige Dinge müssen
einfach getan werden – egal, welches Risiko sie bergen. Oder welche
Konsequenzen.
»Eine offizielle Angelegenheit«, wiederholte ich.
»Ja«, sagte er. »Verpass ihm von mir auch was
Offizielles.«
Mit einem Klick wurde die elektronische Verriegelung der Zellentür
geöffnet.
Cavello lag auf einer Pritsche, die Beine angezogen, ein Arm
angewinkelt unter dem Kopf. Er riss die Augen weit auf, als er sah,
wer da kam.
»Nicky.« Dasselbe höhnische Grinsen, das ich so oft im Gerichtssaal
gesehen hatte. »Meine Güte, ich habe es gerade gehört. Was für ein
Chaos!« Langsam richtete er sich auf. »Ich wollte dir sagen, wie
leid …«
Als ich ihm ins Gesicht schlug, ging er zu Boden.
»Jesses, Nicky«, stöhnte er und rieb sein Kinn. Er griff nach dem
Metallpfosten an seiner Pritsche und zog sich grinsend nach oben.
»Weißt du, ich habe schon von Geschworenenentscheidungen gehört,
bei denen es keine klare Mehrheit gab, aber bei der hier bekommt
der Ausdruck eine ganz neue Bedeutung.«
Wieder schlug ich ihn. Fester. Cavello knallte gegen die Betonwand.
Noch immer grinste er mich arrogant an, während in seinen Augen
eine animalische Grausamkeit funkelte. »Es war dein Fehler, Nicky.
Was hattest du erwartet? Dass ich mich umdrehe und sterbe? Du
wusstest das. Du kennst mich wie sonst keiner.« Er wischte mit dem
Handrücken das Blut aus seinem Gesicht.
Ich ging auf ihn zu und riss ihn am Kragen vom Boden hoch. Er trug
immer noch das gleiche Hemd wie am Vormittag im Gericht.
»Du kannst dir einbilden, du hättest gewonnen, du dreckiges Stück
Scheiße, aber ich werde mein Leben dafür hergeben, dich zugrunde zu
richten. Neunzehn Menschen sind gestorben. Einer davon war ein zehn
Jahre alter Junge.«
»Da war ein Junge im Bus?« Cavello spielte den Überraschten. »Meine
Güte, Pellisante, das hättest du aber vorher wissen
müssen.«
Mit aller Kraft rammte ich ihm meine Faust ins Gesicht. Wieder
krachte Cavello gegen die Wand. Ich hatte mich nicht mehr unter
Kontrolle. Noch nie hatte ich einen Menschen so sehr
gehasst.
»Okay, Nick«, hielt mich Trevor Ellis hinter mir auf. »Das
reicht.«
Nein, das reichte noch nicht. Ich zog Cavello wieder hoch und
schleuderte ihn an die gegenüberliegende Wand. Er knallte gegen das
Metallwaschbecken und stürzte auf den Boden. Sein Hemd, an dem ich
ihn hochzog, war blutverschmiert. »Sie haben nur ihre Pflicht
getan«, schrie ich ihm ins Gesicht.
»Mach weiter«, provozierte mich Cavello. »Schlag mich. Es tut nicht
weh. Aber du hast es nicht kapiert. Ich habe doch gesagt, dass mich
kein Gericht drankriegen kann. Du sagst, ich würde zugrunde gehen.«
Er spuckte einen Klumpen geronnenes Blut auf den Boden.
»Vielleicht. Aber nicht durch dich. Siehst du die Kameras da oben?
Sie haben alles aufgenommen. Du bist fertig. Ich werde nicht
zugrunde gehen, aber du, Nicky Smiles.«
Als ich ihm mit voller Wucht den nächsten Schlag verpasste,
wirbelte er rückwärts gegen die Betonwand. Trevor Ellis und ein
Wachmann stürmten in die Zelle. Einer von ihnen hielt meine Arme
fest, während sich der andere zwischen mich und Cavello zwängte.
Mühsam kam er wieder auf die Beine und hielt schwankend eine Hand
seitlich am Bauch.
»Jetzt schau dich an.« Cavello begann zu lachen. »Du glaubst, du
würdest mich kriegen? Du bist derjenige, der fertig ist. Du bist
derjenige, der für den Rest seines Lebens jeden Tag das Bild des
Jungen sehen wird. Ich werde heute Nacht wie ein Baby
schlafen.«
Trevor und der Wachmann zerrten mich aus der Zelle, doch Cavello
zeterte weiter. Seine Worte und sein Lachen hallten von den
Gefängnismauern wider.
»Wie ein Baby, Pellisante. Hörst du? Zum ersten Mal seit einem
Monat brauche ich mir wegen dieser dämlichen Verhandlung keine
Sorgen zu machen.«